Krisenintervention

Drei Kategorien von Reaktionen auf schwere Belastungen bzw. traumatische Erfahrungen werden im ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) unterschieden.

1. Die akute Belastungsreaktion:

Sie ist die Folge einer außergewöhnlichen körperlichen und /oder seelischen Belastung bei einem ansonsten psychisch nicht manifest gestörten Menschen. Nach einem anfänglichen Zustand der „Betäubung“ kommt es zu affektiven und vegetativen Symptomen, bei ausgeprägten Formen auch zu sozialem Rückzug oder Überaktivität, Verzweiflung oder Ärger. Sie klingt nach Stunden bis Tagen wieder ab und eine Psychotherapie ist nicht nötig.

2. Die posttraumatische Belastungsstörung:

Sie folgt auf das Erleben oder Beobachten eines traumatischen Ereignisses, das außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung liegt und Tod oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens beinhaltet (Naturkatastrophen, Kriegsereignisse, schwere Unfälle, Gewaltverbrechen) oder die physische Unversehrtheit der Person oder anderer Personen bedroht (Entführung, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch bei Kindern). Mit einer Latenz von Wochen bis zu 6 Monaten kommt es zu folgender Symptomatik: beständiges Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in sich aufdrängenden Erinnerungen oder Träumen, sozialer Rückzug, Verlust der Lebensfreude, ausgeprägtes Vermeidungsverhalten Situationen gegenüber, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten, erhöhte psychische Sensitivität und Erregbarkeit mit Schlafstörungen, erhöhte Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Zu Beginn einer Psychotherapie stellt sich die Frage der derzeitigen physischen Sicherheit. Eine Behandlung fruchtet nur, wenn die Patientin keine Angst vor neuerlicher Schädigung haben muss. Nach einer längeren Phase des Vertrauensaufbaus und der Motivationsarbeit ist die Kernaufgabe der Therapie das Nacherleben des Traumas. Leider führen Ignorieren und Vermeiden nicht zum Verschwinden der Erinnerung. Über den Weg der Exposition soll die Erinnerung an das Trauma durch Habituation im Laufe des wiederholten Nachlebens weniger Angst und andere negative Emotionen auslösen. Der Bearbeitung posttraumatische veränderter Überzeugungen und Einstellungen (Schemata) wird viel Raum gegeben. Betroffene geben sich nicht selten selbst die Schuld. Ein gestörtes Selbstbild hinsichtlich Sicherheit, Vertrauen, Macht, Selbstachtung und Intimität kann die Folge sein. Ziel der Therapie ist die Integration der traumatischen Erfahrung mit den vor dem Ereignis erworbenen Einstellungen und Überzeugungen, um ein ausgeglichenes Weltbild wiederzuerlangen.

3. Die Anpassungsstörung:

Sie ist Ausdruck eines gestörten Anpassungsprozesses nach einer psychosozialen Belastung von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß (Verlust enger Bezugspersonen, ernsthafte Schwierigkeiten in Beruf oder Familie, schwerwiegende Veränderung der sozialen Umgebung wie bei Emigration oder Flucht). Ziel der Psychotherapie ist die Anpassung zu verbessern, wenn auslösende Stressoren nicht beseitigt werden können („was man nicht ändern kann, muss man versuchen anders zu sehen“).